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Trotz Revision nicht billiger

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Wenn ein Verurteilter gegen das Urteil ins Rechtsmittel geht, darf es für ihn grundsätzlich nicht schlimmer werden, jedenfalls dann nicht, wenn die Staatsanwaltschaft auf ihr Revisionsrecht verzichtet hat.

Aber auch, wenn die Revision erfolgreich war, ist das noch lange keine Garantie dafür, dass es am Ende besser wird.

Wie das in der Praxis ausschaut, zeigt die Entscheidung des LG Osnabrück vom 19.06.2020 (Az.: 25 KLs 3/18). Das Ergebnis ist bemerkenswert.

Der Sachverhalt ist überschaubar

Eine verbeamtete Lehrerin soll sich gut vier Jahre lang selbst alimentiert haben. 112 Mal soll sie Rezepte gefälscht haben, warf die Staatsanwaltschaft ihr vor. Sie habe jeweils eine größere Menge an Medikamenten auf den Rezepten eingetragen, als tatsächlich verschrieben worden waren. Diese Fälschungen habe sie der Beihilfestelle vorgelegt. Das führte zu Erstattungen für Medikamente, die sie tatsächlich weder bezahlt noch erhalten habe.

Insgesamt sollen dabei über 900.000 Euro von der Landeskasse in die Haushaltskasse der – nun ehemaligen – Lehrerin geflossen sein; 225.000 Euro pro Jahr.

Das fanden die Richter beim Landgericht Osnabrück (die ihr Gehalt aus der selben Landeskasse beziehen) bereits im November 2018 jedoch nicht witzig: Sie verurteilten die Pädagogin zu einer – nicht bewährungsfähigen (§ 56 Abs. 2 StGB) – Freiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten.

Teilerfolgreiche Revision

Die Lehrerin wehrte sich, teilweise erfolgeich, gegen diese Verurteilung. Der BGH hob das Urteil hinsichtlich des Strafausspruchs auf, weil es in Bezug auf das Strafmaß nicht in Ordnung gewesen sei (BGH 3 StR 184/19).

Die Bundesrichter reklamierten, dass die Landesrichter vergessen hatten, eine besondere Strafmilderung zu prüfen. Die Ex-Beamtin hatte nämlich – mutmaßlich durch ihren Strafverteidiger gut beraten – der Verwertung großer Teile ihres privaten Vermögens noch im Ermittlungsverfahren zugestimmt. Dadurch stand ein Betrag von ca. 700.000 Euro für die Schadenswiedergutmachung zur Verfügung.

Dies ist insoweit bemerkenswert, als dass in den meisten Fällen das unrechtmäßig erhaltene Geld bereits unter die Leute gebracht wurde und dann für den Regress nicht mehr vorhanden ist. Hier hat sich die Sparsamkeit ausgezahlt, die den Beamten typischerweise eigen ist.

Genützt hat es nichts

Zwar hat das LG Osnabrück diesen grundsätzlich strafmildernden Umstand in dem zweiten Durchgang jetzt berücksichtigt. Allerdings hat dies am Strafmaß nichts geändert. Auch unter Berücksichtigung dieses Aspekts sei für die Taten eine Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten immer noch tat- und schuldangemessen.

Nachschlag

Statt nun zumindest die Verfahrensdauer bei der Festsetzung der Strafhöhe mildernd zu berücksichtigen und allein deswegen einen Nachlass zu gewähren, gab das Gericht noch einen oben drauf. Weil die Dame zwischenzeitlich vom AG Osnabrück wegen eines Straßenverkehrsdelikts zu einer Geldstrafe verurteilt worden war, führte jene Strafe sogar noch zu einer Erhöhung um einen weiteren Monat.

Noch eine Runde?

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. So wie ich die Pressemitteilung des LG Osnabrück lese, ist auch mit einem erneuten Gang zum BGH zu rechnen. Die Hoffnung, auf diesem Weg über die Revision doch noch zu einer Strafmilderung – insbesondere auf eine bewährungsfähige Höhe – bleibt bestehen.

Ob dies allerdings vor dem Hintergrund der enormen psychischen Belastung durch das seit langen Jahren offene Verfahren sinnvoll ist, muss die Lehrerin u.a. mit ihrem Verteidiger ernsthaft erörtern. Ein „Ende mit Schrecken“ ist in solchen Fällen immer eine Option.

Bild von Pete Linforth auf Pixabay

Der Beitrag Trotz Revision nicht billiger erschien zuerst auf Kanzlei Hoenig Berlin.


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